Bei der Integration von Pflegefachkräften aus dem Ausland werden den Einrichtungen zahlreiche Stolpersteine zugemutet. Mathias Stübe vom Seniorenzentrum KerVita zeigt im Interview auf, welche Maßnahmen zur fachlichen und sozialen Qualifizierung bereits im Anwerbeland erfolgen, denn die Integration beginnt bereits im Ausland.

 

Herr Stübe, wie haben Sie das Recruiting von ausländischen Pflegefachkräften bei KerVita strategisch aufgestellt?

Das ist bei uns Chefsache, also eine Entscheidung der Geschäftsführung. Die Anwerbung aus dem Ausland ist für uns eine feste Säule zur Zukunftssicherung unserer Fachkräfte. Ein „Must-have“ und kein „Nice-to-have“. Wir arbeiten hierbei seit acht Jahren mit Partneragenturen zusammen, die nach dem Gütesiegel geprüft sind und für uns den Vorauswahlprozess, die Sprachnachweise und die behördlichen Anliegen zur Einreise übernehmen. Erste Gespräche mit den Kandidat:innen laufen dann mit uns via Videocall. Auch der Kontakt zu den Pflegeteams hier vor Ort beginnt bereits im Heimatland der angeworbenen Fachkraft. Aktuell arbeiten wir zehn Fachkräfte aus den Philippinen bei uns ein.

Sind die neuen Mitarbeitenden dann in den Häusern angekommen, beginnt das eigentliche Onboarding. Sie müssen sich nicht nur in der Pflegearbeit zurecht finden, sondern in einem für sie fremden Land mit anderer Kultur. Gibt es da auch eine „soziale Begleitung“?

Der Onboarding-Prozess ist sehr intensiv und auch umfangreicher als bei den inländischen Kolleg:innen. Die Neuankömmlinge kommen in ein fremdes Land mit einer anderen Sprache und Kultur und einer anderen Art zu arbeiten. Aus unserer Sicht ist es zwingend notwendig, dass die neuen Kolleg:innen durch ein Mentoring begleitet werden – sowohl als fachliche Ansprechpartner als auch in vielerlei persönlichen Alltagsfragen. Hinzu kommt, dass auch die Teams vorher eingebunden werden. Je besser die Vorbereitung, desto höher ist die Chance, dass der- oder diejenige auch langfristig bleiben wird und die Teams stabil arbeiten.

Unter Bundesgesundheitsminister Spahn sind einige Initiativen angelaufen, es wurde die DEFA gegründet, ein neues Gütesiegel zur „Fairen Anwerbung“ erschien. Dennoch bleibt die Anerkennung ein zähes Geschäft. Warum verändert sich da so wenig und wie könnte es besser laufen Ihrer Meinung nach?

Die Politik muss entscheidende Weichen stellen und Taten folgen lassen. Dazu sollten sie mit Trägern bzw. Fachleuten aus dem freien Markt an einem gemeinschaftlichen Gesamtprojekt zusammen arbeiten. Es wird nicht ausreichend sein, dies Top-down zu entscheiden. Konkret: Zum einen wurde den privaten Trägern durch die tariflichen Strukturen im GVWG (Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung) die „Luft“ für derartige Anwerbeprojekte im Ausland genommen. Deshalb müssen Gelder für das internationale Recruiting bereit gestellt werden. Zum anderen muss der Anerkennungsprozess dringend verschlankt werden. Dafür ist es notwendig, mehr Fachlichkeit schon im Herkunftsland zu schulen, um hier vor Ort weniger Zeit mit der Anerkennung zu verbringen und schneller mit der praktischen Einarbeitung zu beginnen.

 

Das Interview ist in der Fachzeitung CAREkonkret, Ausgabe 46, am 11.11.2022 erschienen.